Zweimal hat Joseph seiner Familie von seinen Träumen erzählt, die beide deutlich machten, dass sie sich einmal alle vor ihm verbeugen würden. In welcher Familie hätte das keinen Ärger gegeben, besonders wenn die Atmosphäre sowieso schon vergiftet ist? Man könnte deshalb meinen, Joseph sei ja ein netter Junge gewesen, aber er habe sich doch zu wichtig genommen und in jugendlicher Torheit auf die Gefühle der anderen keine Rücksicht genommen. Überblicken wir aber den Ablauf der ganzen Geschichte, so erkennen wir, dass Joseph ein Prophet war und nichts anderes getan hat als etwa Jesaja oder Jeremia. Von denen sagt niemand, sie hätten sich nur wichtig gemacht.
Der Herr Jesus sagte seinen Zuhörern, dass er einmal in Macht und Herrlichkeit wiederkommen werde. Dann würden sie alle vor ihm niederfallen. Die in unserem Tagesvers angegebene Weissagung aber wurde von dem Hohenpriester als Grund für die Kreuzigung gewertet. Und während der ganzen Zeit seiner öffentlichen Tätigkeit schlug ihm sofort der Hass der Menschen entgegen, wenn er ihnen zeigte, dass sie, so wie sie waren, nicht vor Gott bestehen konnten.
Diese Botschaft ist heute noch unbeliebt und wird deshalb auch gern in den Predigten unterschlagen. Man redet lieber von Gottes Liebe und Treue und von seinem Mitgefühl mit unseren Schwachheiten; aber wenn man das Gericht verschweigt, wird es einmal ein böses Erwachen geben. Hören die Menschen stattdessen auf die Forderungen eines heiligen und gerechten Gottes, so bedeutet das ihr ewiges Glück.
Es ist also nicht Lieblosigkeit und Rechthaberei, die von dem Endgericht sprechen lässt, sondern das herzliche Mitleid mit den Menschen, die sonst verloren gehen.
Hermann Grabe