Der preußische König Friederich der Große, der von 1740 bis 1780 regierte, inspizierte die Strafanstalt Spandau. Im Gespräch mit den Inhaftierten erkundigte er sich nach ihren Verbrechen. Die Häftlinge witterten eine Chance auf Überprüfung der Urteile oder auf Begnadigung. Eifrig erklärten sie, warum ihre Taten, die zur Verurteilung führten, nicht so schwerwiegend waren. Sie schoben die Verantwortung dafür auf ihre Opfer, ihre Eltern, ihre Arbeitgeber, ihre Umstände. Mit der Beredsamkeit von Advokaten legten sie dar, dass ihre Strafe unangemessen hoch und sie selber harmlos und zu Unrecht inhaftiert seien.
Lediglich einer der Gefängnisinsassen sagte zum König: »Eure Majestät, ich bin unter allen Verbrechern hier der schlimmste und die Strafe, die ich hier absitze, habe ich leider verdient.«
Darauf antwortete der alte Fritz mit gespielter Empörung: »Was machst du elender Kerl unter diesen braven Leuten? Pack dich hinaus!«
Seit dem Sündenfall sind wir Experten darin, die Verantwortung für Fehlverhalten von uns abzuwälzen. Adam schob die Verantwortung auf seine Frau, Eva versuchte, sie der Schlange anzuhängen. Heute verharmlosen wir unsere Schuld, indem wir unsere Erziehung, die gesellschaftlichen Verhältnisse oder unsere Erbanlagen als Entschuldigung anführen.
Vor dem höchsten, dem himmlischen Herrscher und der letzten, der göttlichen Gerichtsinstanz haben wir aber nur eine Chance, wenn wir unsere Schuld offen und mutig zugeben. Ähnlich wie bei dem Preußenkönig ist dies die Voraussetzung für die göttliche Begnadigung.
Gerrit Alberts