Als es im Frühjahr 1958 mit uns Schülern auf das Abitur zuging, wurde es für mich erkennbar, dass ich in Physik geprüft wurde. Mich hatte damals schon die Fliegerei interessiert, und da unser Lehrer während des Krieges in Peenemünde an der »V2« mitgearbeitet hatte und bei jedem Flugzeug zum Fenster lief, trafen sich bei dem Thema »Kräftewirkung beim Gleitflug« zwei Gleichgesinnte, nämlich er und ich. In diesen Wochen erfolgte damals, am 6. Februar 1958, der Absturz des BEA-Fliegers beim Start auf dem Flughafen München-Riem. Die Maschine war dort zwischengelandet, an Bord war die gesamte Mannschaft von Manchester United, damals Englands Spitzenmannschaft. Kurz nach dem Start in München war das Flugzeug wie ein Stein auf die Startbahn gestürzt. 23 Passagiere verloren ihr Leben. Acht von ihnen waren Spieler von Manchester.
In der nächsten Physikstunde war das natürlich ein Thema. Unser Lehrer und ich waren uns schnell einig, dass die Luftströmung über den Flügeln, die den Auftrieb erzeugt, versagt haben musste. Bald bestätigten es die Zeitungen, die Tragflächen hatten während des Aufenthalts in München Eis angesetzt, und niemand hatte es bemerkt. Das Eis schuf auf den Flügeln eine raue Oberfläche und bewirkte, dass die Luftströmung über den Flügeln verwirbelte und der Auftrieb weitgehend verloren ging. Physik und Lebenswirklichkeit trafen sich damals auf eine handfeste, ja, brutale Weise.
Nur ein Hauch ist unser Leben, oder wie König David es gesagt hätte: »Ein Schritt ist zwischen mir und dem Tode.« Sind wir uns dessen heute bewusst? Immer wieder passieren Unglücke. Wenn es uns trifft, sind wir dann vorbereitet auf die Ewigkeit? Das Unglück anderer sollte uns mahnen, für die Ewigkeit vorzusorgen. Karl-Otto Herhaus