»Während das Gerücht schon um die ganze Welt gelaufen ist, schnürt sich die Wahrheit noch die Stiefel«, sagte einmal der Prediger Spurgeon. Wie kommt es, dass sich Gerüchte, also Lügen oder Halbwahrheiten, so viel schneller verbreiten als die Wahrheit? Sollten wir Menschen gar nicht so ehrlich und wahrheitsliebend sein, wie wir meinen?
Ich fürchte, dass es so ist; denn bei unseren zwischenmenschlichen Beziehungen geht es uns meistens darum, uns vorteilhaft von unseren Mitmenschen abzuheben. Das geht am einfachsten und kostet die wenigsten Anstrengungen, wenn man sie schlechtmacht oder wenigstens Vermutungen äußert, die das nahelegen. »Stell dir vor …!« – »Hättest du das gedacht?« – »Sie tun wie Unschuldslämmer; aber wenn man hinter die Kulissen blickt …« Mit solchen Bemerkungen kann man den allergrößten Schaden anrichten, ja, Rufmord begehen, weil die Zuhörer ein ähnlich schlechtes Herz haben wie man selbst.
Die Geschichte ist voller Beispiele, dass eine solche Propaganda Einzelne, Familien, ja, sogar ganze Volksgruppen in die Isolation getrieben hat. Und dann ist es bis zu Pogromen nicht weit, wie uns das Schicksal der Juden beinahe überall in der Welt in beschämender Weise vor Augen führt.
Unser Tagesvers gehört zu den Zehn Geboten, die eigentlich das Grundgerüst für unsere Beziehung zu unserem Schöpfer und für unser mitmenschliches Verhalten sein sollten. Er gehört also zum geistlichen Grundgesetz für alle, die Gottes Willen tun möchten.
Wer sich danach richten und Gott wohlgefallen will, muss alles schädliche Reden über seinen Nächsten unterlassen und ihn vielmehr entschuldigen und bereit sein, alles Gehörte zu seinem Besten auszulegen.
Hermann Grabe