Fürst Otto von Bismarck steht als alter Mann im Pfarrhaus seines Geburtsortes Schönhausen an der Elbe. An der Wand hängt sein Bild - ein stattliches Gemälde von Franz von Lenbach. Das Porträt zeigt den Reichskanzler im Prachthelm mit stechendem Blick in würdiger Haltung. Bismarck schaut sich das Bild an und sagt: »Das soll ich sein? - Das bin ich nicht!«, und weist auf ein anderes Bild, das an der Wand gegenüber hängt: der sinkende Petrus, dem Jesus die rettende Hand entgegenstreckt. - »Das bin ich!«
Ja, Jesus griff entscheidend in das Leben Bismarcks ein. Er selbst beschrieb es später so: »Nach einem regelmäßig besuchten und unverstandenen Religionsunterricht hatte ich an meinem 16. Geburtstag keinen Glauben mehr. Die Stimme meines Gewissens verhallte im Sturm ungezähmter Leidenschaften. So, mit keinem anderen Zügel als etwa dem der gesellschaftlich konventionellen Rücksichten, stürzte ich mich blind ins Leben hinein, geriet - bald verführt, bald Verführer - in schlechte Gesellschaft jeder Art. Zu anhaltendem Nachdenken wurde ich erst durch Sterbefälle und Einsamkeit gebracht. Ich geriet immer tiefer in die Sackgasse des Zweifels. Der Bibel legte ich keine beweisende Kraft bei. Sie war für mich ein Buch aus Menschenhänden, dessen Lesung mir nur stets neuen Stoff zur Kritik gab.«
Dann traf der junge Bismarck auf Christen. »Ich sah, dass Zuversicht und Friede bei ihnen wohnte. Ich empfand bittere Reue über mein bisheriges Dasein ... Der Zweifel an einem ewigen Leben ist von mir gewichen. Ich kann Gott täglich mit bußfertigem Herzen bitten, mir gnädig zu sein um seines Sohnes willen und in mir Glauben zu wecken und zu stärken.«
Andreas Fett