Wie viele Hilfeschreie mögen täglich zum Himmel aufsteigen? Schreie von Menschen in großer Not, auch von solchen, die eigentlich Gott als ihren Vater kennen. Wenn Sie heute keinen Grund haben zu klagen, geschieht vielleicht schon morgen irgendetwas, das ihr Leben durcheinander bringt oder Sie gar aus der Bahn wirft. Darauf muss man nicht warten, aber darauf sollte man gefasst sein.
Fragen Sie dann voller Selbstmitleid: »Womit habe ich das verdient?« oder: »Wer kann mir helfen?« Keine Angst, da ist einer, der hört alle Schreie in dieser Welt. Selbst Christus am Kreuz hat den Schmerz seiner Verlassenheit nicht verschwiegen, sondern hinausgeschrien. Er litt nicht seinetwegen, sondern für uns. Auch wir sollen unsere Klagen vor Gott bringen, der uns gerade in unserer Not anhört.
Doch wird unser Glaube durch leiblich-seelische Erschütterungen, die bis an die Grenze des Erträglichen gehen, manchmal sehr in Frage gestellt. Es gehört wohl zu den Grunderfahrungen menschlicher Existenz, dass uns ein Gefühl der Gottverlassenheit nicht erspart bleibt. In solcher Vertrauenskrise ist es hilfreich, die ganze Nichtigkeit und Fragwürdigkeit unseres Glaubenkönnens zuzulassen und allen Schmerz und alle Hilflosigkeit vor Gott auszusprechen, dessen Zumutungen uns aufwühlen und verzweifeln lassen. Der, welcher seinen einzigen Sohn nicht verschont, sondern für uns alle geopfert hat, wie sollte er uns mit Christus nicht alles schenken? Alle Hilf- und Ratlosigkeit kann nur Gott beenden. Er wird die Rätsel unseres Lebens lösen. Wenn wir uns wirklich ihm ergeben, wird nach solchen finsteren Stunden wieder die Sonne göttlicher Nähe scheinen. Karl-Heinz Gries