Eines Abends ging im Schlafzimmer der englischen Königin die Tür auf, und ein Fremder trat ein. Die Queen erschrak nicht schlecht, behielt aber ihre Fassung und beantwortete die Fragen des Fremden, so, als sei alles in Ordnung. Auf dem Tisch stand noch eine angebrochene Flasche Wein. Der Gast holte zwei Gläser und beide tranken einander zu. Dann verabschiedete sich der Fremde und ging.
Wie war das möglich? Die Wächter im Buckingham Palast hatten Alarmzeichen gehört; aber weil die altmodische Anlage schon oft verrückt gespielt hatte, meinten sie, das sei auch diesmal der Fall. Was die Wächter hinterher zu hören bekommen haben, weiß ich nicht. Ich musste bei dieser Geschichte gleich an unseren Tagesvers denken. Da hatte auch niemand über dem König Wache gehalten. Und das geht ja durchaus nicht immer so glimpflich ab, wie da und auch vor Jahren im Buckingham Palast.
Wir sind zwar keine königlichen Wächter; aber ein jeder von uns hat auch seine Pflichten zu erfüllen. Und auch bei uns kann Schlamperei und Nachlässigkeit einkehren. Gott wird einmal unser Handeln nicht danach beurteilen, ob alles trotz unserer Nachlässigkeit einigermaßen gut abgegangen ist, sondern, ob wir treu gewesen sind.
Allerdings können wir uns auch durch größte Treue nicht den Himmel verdienen; aber Gott will denen, die in den Himmel kommen, ihre Treue belohnen. Und allen, die noch nicht wissen, ob sie dorthin kommen, möchte ich Mut machen, alles daranzusetzen, auch einmal die Voraussetzungen dafür zu schaffen. Wie das geschieht und was dazu nötig ist, wurde in diesem Kalender schon oft genug angesprochen. Und Gott wartet auf uns.
Hermann Grabe