Das Institut für Sozialforschung der Universität Frankfurt ist heute nur noch Eingeweihten ein Begriff. Vor dreißig Jahren war es das Mekka der antiautoritären Bewegung. Hier holte sie sich das theoretische Rüstzeug für ihren Sturm auf die bürgerliche Gesellschaft. Theodor W. Adorno und Max Horkheimer jedoch, die das Institut repräsentierten, wurden mit ihren Jüngern gar nicht glücklich. Üble, unflätige Vorfälle in den Vorlesungen sollen sogar Adornos frühen Tod mitverursacht haben.
Auf Max Horkheimer ruhten die Hoffnungen der Linken ebensowenig. In seinem Denken besonders Sigmund Freud und Karl Marx verpflichtet und deshalb der neuen Linken eigentlich nahe stehend, widersetzte er sich erfolgreich allen Bestrebungen, eine Galionsfigur dieser »Bewegung«, der »Frankfurter Schule«, zu werden. Auch seine großbürgerliche Herkunft ließ ihn Distanz zu Menschen wahren, die sich durch äußerst schlechtes Benehmen hervortaten.
So bewahrte er sich die Unabhängigkeit seines Denkens auch auf Gebieten, wo man von Männern seines Schlages ganz anderes erwartet hätte. Dem Schreiber dieser Zeilen wird lebenslang in Erinnerung bleiben, wie Horkheimer in einem »Spiegel«-Interview den voll auf der atheistischen Linie liegenden und bass erstaunten Redakteuren erklärte, dass eine verbindliche menschliche Moral nur begründet werden könne, wenn man davon ausgeht, dass es Gott gibt. Leugnet man die Existenz Gottes, gäbe es keinen überzeugenden Grund dafür, das Gute zu tun und das Böse zu lassen. Ist nicht unsere Gesellschaft ein Musterbeispiel dafür, dass sie in dem Maße, wie sie »Gott los wird«, auch ihre moralische Orientierung verliert? Karl-Otto Herhaus