Für mich kam das Kriegsende schon einige Tage früher. Ich war gerade 13 Jahre alt geworden und unsere Familie saß im »Luftschutzkeller«. Ich hatte ein weißes Bettlaken auf dem Schoß liegen, das wir aber erst als Kapitulationsfahne heraushängen wollten, wenn wir die englischen Panzer hörten. Vorher hätte uns noch ein unbelehrbarer Nazi wegen »Feigheit vor dem Feind« erschießen können. Bald hörten wir die Motoren brummen, und wir atmeten auf. Sieben Jahre des schrecklichsten Blutvergießens waren vorüber. Erst später erfuhren wir, welche Gräueltaten im Namen des deutschen Volkes verübt worden waren, vor allem an Juden, Polen und Russen. Dass sich Polen, Tschechen und Russen oft grausam gerächt haben, macht leider unsere Schuld nicht kleiner, sondern vermehrte nur das allgemeine Elend ins Unermessliche.
Welch ein Segen war es für mich damals, im westlichen Teil Deutschlands zu wohnen. Ich habe nie von Übergriffen englischer oder amerikanischer Soldaten gegenüber den Besiegten gehört. Im Gegenteil. Wir »Fahrschüler« warteten auf dem Bahnsteig immer auf den »Amerikanerzug«. Die Soldaten haben uns hungrigen Jungs jedesmal etwas zu essen gegeben, obwohl sie doch auch getötete Kameraden zu beklagen hatten.
Der oberste englische Heerführer, Marshall Montgomery, war sogar ein frommer Mann, der keine Übergriffe duldete.
Da habe ich gesehen, welchen Unterschied es macht, wenn in einem Volk zumindest noch Reste wirklichen Christentums das Handeln und Denken bestimmen, im Gegensatz zu solchen Völkern, bei denen alles einer Staatslehre untergeordnet wurde, die absolut nicht mit einem gerechten Gott rechnet.
Wie würden wir – wie würde ich handeln, wenn wieder solche Zeiten kommen?
Hermann Grabe