Manch einer kennt den Sketch von Loriot, in dem eine Familie das Klavier einer Tante aus Massachusetts geschenkt bekommt. Die Familie sitzt im Esszimmer zusammen und muss »ein Klavier, ein Klavier!« rufen, wenn die Packer damit zur Tür herein kommen.
Jemand sagte vor Kurzem, das funktioniere heute gar nicht mehr, denn unmöglich kriege man heute noch die Familie zu einem gemeinsamen Unternehmen zusammen. Der Vater ist noch auf einer Besprechung, die Mutter auf einem Selbsterfahrungsseminar, der Sohn zum Squash, die Tochter beim Chillen. Niemand könne also das Klavier in Empfang nehmen.Vielleicht ist es nicht ganz so schlimm. Gleichwohl leben wir alle in einer Zeit enormer Beschleunigung. Wenn wir aber tun, als komme alles so über uns, zeigt das nur unsere Unredlichkeit. Im tiefsten Grund unseres Herzens wissen wir schon, dass wir uns zum Beispiel ein bisschen mehr Zeit für unsere Familie und andere wirklich wichtige Dinge abzweigen könnten, wenn wir nur wirklich wollten. Aber wir nehmen uns nicht die Zeit und haben sie dann auch nicht.
Das ist ja unser Problem, - ein Lebensstil, den wir einerseits verwünschen, von dem wir andererseits aber nicht lassen können. Im tiefsten Grunde unseres Herzens wissen wir das. Martha in Betanien hechelte durchs Haus, als Jesus gekommen war. Sie war entrüstet über das Verhalten ihrer Schwester Maria. Doch dann musste sie von Jesus erfahren, dass sie es war, die nicht wusste, was im Augenblick wirklich wichtig war. Jesus macht deutlich, dass wir alle durchaus Zeit genug haben. Unser Problem ist, dass wir die eigentlich wichtigen Dinge in unserem Leben auf unserer Prioritätenliste oft nicht ganz nach oben setzen. Karl-Otto Herhaus