»Gott hat für den modernen Menschen kein Gesicht mehr«, so stand es kürzlich in der Zeitschrift »Psychologie heute«. Anschaulich beschreibt der Artikel die Veränderung des Gottesbildes von einer liebenden Vaterfigur zu einem »Etwas«, das für jeden einzelnen ganz unterschiedliche Gestalt annehmen könne. Der Glaube, dass es etwas über uns geben muss, sei ungebrochen. Aber die Frage laute heute nicht mehr: Wer ist Gott?, sondern: Was ist Gott? Wir fragen nicht mehr nach einer Person, sondern nach einer Sache, nach einer unpersönlichen Kraft. Gott von einer Person zu einer Sache zu machen, hat dabei einen ganz wichtigen Vorteil: Vor einer Sache muss ich mich nicht rechtfertigen. Einem göttlichen Prinzip gegenüber muss ich keine Rechenschaft ablegen. Begriffe wie Sünde oder Strafe sind ersatzlos gestrichen. Ich muss nur die Spielregeln kennen, wie ich mir die göttliche Kraftquelle am besten zu nutze machen kann. Denn dieser neue Gott hat mir und meinen Bedürfnissen zu dienen – und nicht umgekehrt.
Kann man eine Gottheit, über die ich nach Lust und Laune frei verfügen kann, im tiefsten Sinn des Wortes noch »Gott« nennen? Ist der Gott, dem ich mich anvertraue, so klein, dass ich einfach so über ihn verfügen kann?
Wenn Gott wirklich »Gott« ist, dann ist er größer als ich. Dann ist er allmächtig. Dann ist er der Urheber aller Dinge. Und dann kann ich nicht erwarten, dass ich ihn mit meinem begrenzten Verstand in allen Dingen verstehen und in Schubladen einordnen kann. Vor allem kann ich ihm keine Befehle erteilen. Wenn Gott wirklich »Gott« ist, habe ich nur eine Möglichkeit: mich ihm unterzuordnen.
Andreas Droese