Vor ein paar Jahren unterrichtete ich an einer Universität in China Deutsch und Englisch als Fremdsprache. In den abendlichen Englischkursen lernte ich interessante Leute aus der Stadt kennen. Sie waren im Beruf und älter als die Studenten der Universität. Mit ihnen kam man schon einmal über dies und das ins Gespräch. Da konnte man eine Menge erfahren, was die »normalen« Chinesen über sich und die Welt so denken.
An einem Abend gab es für mich eine leicht kitzelige Situation. Das Gespräch kam auf Mao Tse Tung. Ein Student fragte mich, was ich denn von Mao hielte. Was sollte ich nun sagen? Mir war sofort klar, dass ich aufpassen musste. Denn schließlich ist China immer noch ein kommunistisch regierter Staat, und Mao ist der Schutzheilige des Systems. So redete ich ganz höflich um die Sache herum, sprach von den Verdiensten Maos um die Infrastruktur Chinas und so weiter. Der junge Mann sah mich leicht ungeduldig an, und als ich ihn fragte, was er denn von Mao halte, sagte er so laut und deutlich, dass es jeder hören konnte: Mao war für China ein Desaster, eine Katastrophe für das Land.
Wahrscheinlich hat er Recht. Mao war sicher nicht ein solcher Blutsäufer wie Stalin, aber er hatte keine Hemmungen, für die Verwirklichung seiner politischen Ideen Millionen Menschen zu opfern. Nachdem er gestorben war, dauerte es kaum 15 Jahre, und seine Erben begannen, sich ganz dem Kapitalismus hinzugeben.
Wie in der Zeit des Königs Belsazar waren die Ideen Maos von Gott gewogen und für zu leicht befunden worden. Heute kann sich das Evangelium ausbreiten, und Millionen von Menschen werden Christen. Das ist eine große Sache. Karl-Otto Herhaus