Im 1. Jahrhundert unserer Zeitrechnung beauftragten die römischen Herrscher einen begabten griechischen Baumeister mit der Errichtung eines großen Amphitheaters, dessen Dimensionen alles bisher Dagewesene in den Schatten stellen sollten. Das Ergebnis seiner Arbeit war das Kolosseum in Rom. Es wird berichtet, dass sich bei der offiziellen Eröffnung des Theaters im Jahre 80 n. Chr. etwa 50.000 Menschen auf den Rängen drängten, um den Feierlichkeiten beizuwohnen. Der Baumeister erhielt einen Ehrenplatz neben dem Kaiser. Als der Imperator sich erhob, kehrte augenblicklich Ruhe ein. Mächtig erscholl seine Stimme bis hinauf zum letzten Platz: »Volk von Rom und verehrte Gäste. Das Werk des Kolosseums ist vollendet! Wir sind hier zusammengekommen, um dieses Ereignis miteinander zu feiern und dem Baumeister, der für die Ausführung verantwortlich ist, unsere Hochachtung zu erweisen. Zu seiner Ehre werden wir damit beginnen, einige Christen den Löwen vorzuwerfen.« Unter dem Gejohle der Menge öffneten sich die Tore der Arena, und eine Gruppe von Christen wurde hineingetrieben. Da erhob sich der Baumeister von seinem Sitz, sah dem Kaiser in die Augen und sagte: »Auch ich bin ein Christ!« Nachdem sich die anfängliche Irritation gelegt hatte, ergriff man den gerade noch hochgelobten Mann und warf ihn in die Arena, wo er mit den dort Wartenden bald darauf von den Löwen zerrissen wurde.
Wer sich heute bei uns zum Christsein bekennt, läuft nicht Gefahr, dafür sein Leben lassen zu müssen, muss aber durchaus damit rechnen, bemitleidet, verlacht oder verspottet zu werden. Martin von der Mühlen