Opa Wolfgang stand stets zur Verfügung, wenn Schwiegertochter Marlies Unterstützung brauchte. Dies war oft der Fall, wenn in Haus und Garten etwas zu reparieren war. Ebenso war Opa der geduldigste Kinder-Hüter, wenn Mutter zu Besorgungen auswärts war. Interessiert nahm er Anteil an der schulischen Entwicklung der Kinder. Manchmal spendierte er ein Eis oder ein kleines Spielzeug.
Die Jahre gingen ins Land und nun stand die Hochzeit der erwachsen gewordenen Enkelin an. Groß war deren Enttäuschung, als Opa mit sehr ausführlichen Belehrungen einen recht geringen Betrag als Festgeschenk überreichte, obwohl man im Stillen mit einem wesentlichen Zuschuss zur neuen Wohnungseinrichtung gerechnet hatte, zumal bekannt war, dass er ein beachtliches Vermögen hatte.
Der Besitz nächster Angehöriger kann manche Gedankengänge auslösen, besonders wenn ihr Ende näher kommt und die Frage nach einer möglichen Erbschaft ins Spiel kommt. Wie viel Streit und Zank ist selbst unter Christen schon entstanden, wenn die Regelung von Erbschaftsangelegenheiten anstand. Doch wie weit können wir gehen, wenn es um den Besitz Angehöriger geht? Haben wir ein moralisches Recht auf diesen Besitz? Darf man sich noch zu Lebzeiten der Angehörigen darüber Gedanken machen, was man von ihnen als Geschenk erhalten oder später erben könnte? Das 10. Gebot verbietet jedes Begehren oder sogar Einplanen von Besitztum, das man (noch) nicht sein Eigen nennen kann. Oft verstellt die Aussicht darauf den Blick für den Wert dieser Person, und vergessen sind die vielen »Geschenke« nicht-materieller Art, die wie im oben beschriebenen Beispiel das Leben der verwandten Personen längst »bereichert« hat. Klaus Spieker