Als in Italien noch die Monarchie herrschte, verlieh der König nur wenigen verdienstvollen Vertrauten einen ganz besonderen Orden. Es war der so genannte Annunciaten-Orden (von ital.: annuncio = Ankündigung). Der Träger dieser Auszeichnung hatte einen unglaublichen Vorzug: Er durfte zu jeder Zeit ohne Voranmeldung direkt zum König eintreten. Erblickten die Torwächter vor dem Königspalast einen Träger des Annunciaten-Ordens, salutierten sie und gaben sofort den Zugang zum König frei. Und der König? Er erhob sich vom Thron, begrüßte den Ankömmling und gewährte dem geschätzten Besucher Audienz.
Drängt sich da nicht ein Vergleich auf? Hat nicht jeder, der an Jesus Christus glaubt und damit Gottes Kind ist (Johannes 1,12), ein ähnliches Privileg? Ohne Ankündigung darf er jederzeit vor den König aller Könige treten! Jeder, der sich Jesus Christus anvertraut, wird ein Vertrauter Gottes. Ihm steht ein ganz besonderer Vorzug offen: der freie und direkte Eintritt in das Heiligtum - in Gottes Gegenwart - »durch das Blut Jesu«. Wir haben »die Freimütigkeit und den Zugang in Zuversicht durch den Glauben an Jesus« (Epheser 3,12). Diese »Privat-Audienz« ist nur möglich, weil die Trennung von Gott durch den stellvertretenden Tod Jesu aufgehoben ist. Zur Zeit des Alten Testaments bestand eine unüberwindliche Barriere zwischen dem Wohnort Gottes (dem Allerheiligsten im Tempel) und den Menschen. Niemand durfte in die Gegenwart Gottes treten. Doch als der Sohn Gottes gekreuzigt wurde, zerriss der trennende Tempel-Vorhang. Das zeigt uns: Der Weg zu Gott ist frei. Wir können »hinzutreten mit wahrhaftigem Herzen und in voller Gewissheit des Glaubens« (Hebräer 10,19). Ist das nicht ein herrliches Privileg?
Andreas Fett