Ich bekam eine wunderschöne Blume geschenkt. Die Kinder verrieten mir hinter vorgehaltener Hand: »15,- Euro hat sie gekostet.« Das war damals für unsere Verhältnisse ein unverschämt hoher Preis! So sagten wir uns: »Wir werden viel Freude an ihrem Wachstum und an den herrlichen Blüten haben.«
Nach bestem Wissen gaben wir ihr Wasser, Dünger, einen guten Platz im Zimmer usw. Doch alles kam anders als erwartet. Die Blätter fielen bald ab, die Stängel vertrockneten. Unsere Blume wurde von Tag zu Tag elender und wir trauriger. Nun bekam sie einen Platz an der Sonne, wurde häufiger warm geduscht, bekam etwas mehr Wasser usw. Doch es half alles nichts.
»Aber sie ist noch am Leben«, dachte ich betrübt. Und plötzlich hörte ich mich tatsächlich sagen: »Herr Jesus, lass sie doch nicht eingehen, sie war doch so teuer!« Schlagartig wurde mir klar, der Umgang mit der Blume war von ihrem Preis her bestimmt worden, nicht von ihrem Aussehen. Sie wäre sonst längst auf dem Kompost gelandet.
Da traf mich die Frage: »Wonach beurteile ich die Menschen um mich her?« Geht es da nach dem Nutzen, den ich durch sie erfahre, oder nach Sympathie und Antipathie?
Gott hat alle Menschen so geliebt, dass er ihr Verderben nicht ansehen konnte. Darum sandte er uns seinen Sohn zu unserer Rettung. Wenn ich bedenke, dass wir armen Menschen dem großen Schöpfer einen solchen Preis wert sind, möchte auch ich möglichst allen Menschen mit Freundlichkeit begegnen, ihnen zuhören und ihnen zu helfen suchen - kurz: sie lieben, weil auch ich geliebt bin. Das wird bei Weitem nicht immer gelingen; aber je deutlicher mir Gottes Liebe vor Augen steht, umso leichter muss es mir fallen. Hans-Peter Grabe