So wird oft das Alte Testament genannt, weil es zu den eigentlich abstrakten Begriffen der Lehren des Neuen Testaments Geschichten und Beschreibungen liefert, durch die sie uns erklärt und verdeutlicht werden. Solche Begriffe sind Gehorsam, Geduld, Wachsamkeit, Treue, Hingabe, Liebe, Barmherzigkeit und noch viele mehr, dazu auch jeweils deren Gegenteil, also: Ungehorsam, Ungeduld usw.
Wenn wir z. B. wissen wollen, was Gehorsam bedeuten kann, so lesen wir in 1. Mose 22, dass Abraham seinen einzigen Sohn opfern sollte. Am Ende brauchte er es nicht zu tun; aber erst, als er zu diesem Opfer bereit war. Und wenn man wissen möchte, was Gott unter Geduld versteht, so hat er uns das im Buch Hiob beschrieben. Genauso sehen wir, was Wachsamkeit ist, wenn Abraham in der Hitze des Tages am Eingang seines Zeltes Wache hält oder wenn David seine Herde vor Raubzeug bewacht. Unzählig sind die Beispiele für treue und untreue Menschen, wenn wir nur an Mose und Uria, aber auch an Absalom und Gehasi denken.
Es ist derselbe Geist, der in den Schreibern des Alten und des Neuen Testaments wirksam war, so dass alle zusammen ein Buch wie aus einem Guss geschrieben haben. Gott zeigt uns im Alten Testament die gleichen moralischen Grundsätze wie im Neuen. Er bleibt sich immer treu und wir tun gut daran, ihn und seinen Willen auch im Alten Testament kennen zu lernen. Dabei werden wir immer wieder auf Bilder und Vergleiche stoßen, die die Fähigkeiten und die Tugenden der Menschen weit übersteigen. Dann redet Gott nämlich von seinem Sohn, dem einzig Vollkommenen.
Hermann Grabe