Der frühere New Yorker Bürgermeister La Guardia vertrat manchmal den Polizeirichter. An einem bitterkalten Wintertag führte man ihm einen heruntergekommenen, alten Mann vor. Er hatte ein Brot gestohlen. Der Beschuldigte gab den Diebstahl ohne weiteres zu, sagte aber, dass er das Brot nur genommen habe, weil seine Familie am Verhungern sei. Der Bürgermeister verurteilte den armen Mann zur Zahlung von zehn Dollar Strafe, denn das Gesetz erlaubte keine Ausnahme. Dann griff er in seine Tasche, gab dem Mann einen Zehndollarschein, damit er seine Strafe bezahlen konnte und freikam. Aber dann wandte er sich an die Zuhörer im Gerichtssaal mit den Worten: »Und nun verurteile ich jeden Anwesenden hier zu einer Geldbuße von fünfzig Cent, und zwar dafür, dass er ohne Skrupel in einer Stadt lebt, in der ein Mann ein Brot stehlen muss, um seine Familie vor dem Hungertod zu bewahren.« Der Gerichtsdiener musste sogleich kassieren, und der alte Mann konnte mit fast 50 Dollar in der Tasche den Gerichtssaal verlassen.
Ein salomonisches Urteil, dass uns alle daran erinnert, dass wir füreinander Verantwortung tragen. Als »Verwalter der mancherlei Gnade Gottes« (1. Petrus 4,10) hat Gott uns mit den unterschiedlichsten Gaben ausgestattet, die wir zu Gottes Ehre und zum Nutzen der Menschen, nicht nur der Gläubigen, einzubringen haben. Unser himmlischer Vater ist gütig und lässt Sonne und Regen allen Menschen zukommen. Wir sollten auch freigiebig mit allem Anvertrauten umgehen, damit die Menschen um uns her unsere »guten Werke sehen und unseren Vater, der in den Himmeln ist, verherrlichen« (Matthäus 5,17). Ulrich Weck