Günter Grass war ein anerkannter Schriftsteller. Der Nobelpreisträger für Literatur starb heute vor einem Jahr in Lübeck. Sein Thema waren jene Übergänge, an denen sich Gut und Böse mischen, Rechts und Links, Gleichgültigkeit und Fanatismus. Auf Grass geht das Zitat zurück: »Die Vogelscheuche wurde nach dem Bilde des Menschen geschaffen.« Eine Aussage, die nicht gerade für eine hohe Meinung spricht, die Günter Grass von der Spezies hatte, der er selbst angehörte. Aber er hat recht: Die Vogelscheuche ist dem Menschen nachempfunden – inklusive des Strohkopfes.
Und der Mensch? Adam war nach dem Abbild Gottes erschaffen worden (1. Mose 5,1). Doch dann heißt es: »Als Adam 130 Jahre gelebt hatte, zeugte er einen Sohn namens Set, der ihm wie sein (Adams) Ebenbild ähnlich war« (Vers 3). Set war Adam ähnlich; die Gottähnlichkeit konnte Adam offenbar nicht weitergeben, seitdem er sie selbst nicht mehr besaß. Das sind die Folgen des Sündenfalls. Mit dem Ungehorsam des ersten Menschenpaares fing es an. Überboten wurden Adam und Eva von ihrem Sohn Kain, der das Gewaltverbrechen einführte. Dies wurde nicht nur fortgesetzt, sondern immer weiter gesteigert bis heute; sehen Sie sich die Meldungen in der Presse an! Es ist tatsächlich kaum noch vorstellbar, dass die Menschen einmal nach dem Abbild Gottes erschaffen wurden. Wie Vogelscheuchen in alten Klamotten wandeln wir herum als verlorene Söhne und Töchter. Das ist der Beobachtung von Günter Grass entsprechend wenig schmeichelhaft.
Doch so, wie wir sind, sollen wir nicht bleiben. Der Vater im Himmel zieht uns dann neue Kleider an, wenn wir zu ihm umkehren. Er macht alles neu – inklusive unserer Strohköpfe. Markus Wäsch