Frank war erst 32 Jahre alt und sah aus wie 60 Jahre. Dünn, abgemagert, traurig und völlig fertig. Seit seinem 12. Lebensjahr hatte er Drogen genommen. Die Schule hatte er abgebrochen, die Ausbildung nach wenigen Monaten hingeschmissen – Struktur war nicht seine Stärke. Ein Stoppelbart und Narben umgaben seine leeren und müden Augen. Bestimmt hatte er sich seit Wochen nicht mehr gewaschen oder geduscht, als er an unserer Haustür klingelte.
Nach einer langen und heißen Dusche, einem kräftigen Essen und viel Kaffee saßen wir gemütlich vor unserem Ofen, indem flackernd das Feuer prasselte. Frank erzählte von seinem letzten Jahr und den verzweifelten Versuchen, von der Straße wegzukommen. Jetzt sei er bei uns gelandet, weil er sich noch gerne an unsere gemeinsamen Ausbildungsmonate erinnerte und hoffte, dass wir ihm helfen würden. Frank konnte erst einmal bei uns wohnen, was ihm sichtlich gut tat. Eines Abends sprachen wir mit ihm, wie er sich seine Zukunft vorstellen würde. »Willst du gesund werden?« Irritiert schaute er uns bei dieser Frage an.
Diese Frage erscheint unhöflich, hat aber ihre Berechtigung. Denn man muss auch gesund werden wollen, d. h. auf den Arzt hören, die Medikamente regelmäßig nehmen und den Therapieplan einhalten. Frank darf keine Drogen mehr nehmen, und nur ein strukturiertes Leben wird ihm auf Dauer weiterhelfen. Wenn er dazu nicht bereit ist, kann er auch nicht gesund werden, selbst wenn er einsieht, dass es ihm dreckig geht.
»Wie geht’s?« – »Mir geht es gut«, ist die regelmäßige Antwort, obwohl es uns manchmal gar nicht gut geht. Wäre ein ehrliches Eingeständnis nicht besser, um aus einem »Tief« herauszukommen und wieder fröhlich zu werden? Peter Lüling