Und als er sich näherte und die Stadt sah, weinte er über sie.
Lukas 19,41
Als im Februar 2021 eine Kältewelle das Leben und Wohlergehen von Millionen von Texanern gefährdete, traf der republikanische Senator Ted Cruz eine verhängnisvolle Entscheidung: Er flog mit seinen beiden Töchtern ins warme Mexiko, damit diese sicher seien, so Cruz später. Während die 29 Millionen Einwohner von Texas unter andauernder extremer Kälte, tagelangem Stromausfall und mangelnder Wasserversorgung litten, nutzte Cruz seine privilegierte Position, um sich in Sicherheit zu bringen. Besonders pikant: Kurze Zeit vorher forderte er die Bevölkerung in einem Interview auf, »einfach zu Hause zu bleiben und ihre Kinder zu umarmen«.
Als Fotos von ihm am Flughafen auf Twitter auftauchten, durchzog ein Sturm der Entrüstung das Internet. Viele Kommentatoren warfen Cruz Heuchelei und Egoismus vor. Auch wenn Cruz an den Temperaturen nichts ändern konnte, fühlten sich viele Amerikaner in Zeiten größter Not von ihrem Senator im Stich gelassen. Die nachvollziehbaren Reaktionen zeigen auf, wie sehr sich Menschen Politiker wünschen, die die Probleme der Bürger nachempfinden können und nicht nur sprichwörtlich »über den Dingen schweben«. Selbst wenn Politiker nicht jedes Problem lösen können, vermittelt ihre Präsenz und ihr Mitleiden den Menschen Verständnis und Nähe.
Schon vor 2000 Jahren setzte Jesus ganz neue Maßstäbe in Sachen Führung und Leiterschaft: Er sprach nicht nur abstrakt von Nöten, sondern kam den Menschen nahe und weinte über ihr Leid. Und dann half er ihnen, weil er dazu fähig war. Seine Nähe und Hilfe kann noch heute trösten und uns Kraft und Zuversicht schenken, unser Vertrauen weiterhin auf ihn zu setzen bzw. damit überhaupt erst einmal anzufangen.
Sebastian Lüling