Jeder hat im tiefen Keller seines Lebenshauses ein Fass stehen, in das aller Ärger, alle Aufregung, alles Unverstandensein gefüllt wird. Gesunder Schlaf und erfreuliche Nachrichten lassen über Nacht viel aus dem Fass verdunsten, wie v. Eichendorff sagt:
»Was mich noch gestern wollt erschlaffen,
des schäm ich mich im Morgenrot.«
Aber besonders heutzutage ist das Fass meistens randvoll, weil es einerseits sehr hektisch zugeht, andererseits durch die Philosophie der Selbstverwirklichung die Bereitschaft zur Duldsamkeit immer mehr sinkt. Da gibt es in der Ehe Streit wegen der Erziehung; da fühlt sich einer als Verlierer, weil er immer nur das tun muss, was ein anderer will; da sind missgünstige Kollegen, finanzielle Sorgen und vieles mehr. So genügt der berühmte »Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt«. Der eine »rastet aus«, der andere verschließt sich und weint, und wieder ein Dritter muss Psychopharmaka nehmen, um überhaupt weiterleben zu können.
Wenn wir dem Herrn Jesus Christus die Tür öffnen, wird er auch in den Keller gehen. Dort schlägt er dem Fass den Boden aus, dann versickert der ganze Inhalt in der Barmherzigkeit unseres Gottes, auf die wir unser Leben gegründet haben, und nie mehr kann es überlaufen. Gottes Erbarmen ist dann der Ort, wohin wir alles bringen können, was uns sonst unglücklich machen würde. Natürlich klopft bald der Teufel an unsere Tür und bietet uns seine Dienste als Klempner an, um das Fass zu reparieren. Das dürfen wir auf keinen Fall zulassen.
Hermann Grabe