86 Jahre war er alt, Herr Konrad U. Er saß da und starrte vor sich hin. Als ich ihn fragte, wie es ihm heute geht, hob er bedächtig seinen Kopf und sah mich an. In seinem Blick lagen Resignation und Wut zugleich. »Wissen Sie«, sagte er, »das ist hart, sehr hart, wenn man nicht mehr kann. Wenn man einfach da sitzen muss, weil man nicht mehr kann. Nutzlos, unbrauchbar, lästig für die anderen. Abends legt man Zähne und Hörgerät beiseite, die Brille reicht schon gar nicht mehr. Grauenhaft! Da sollte man sich gleich die Kugel geben.« - »Oh«, gab ich erschrocken zurück, »ist das Ihr Ernst?« - »Hören Sie«, konterte er, »Sie haben ja keine Ahnung, Sie junges Küken.« Natürlich hatte ich keine Ahnung, ich war noch lange nicht so weit. »Da haben Sie Recht«, sagte ich, »aber irgendwo ist das doch der normale Werdegang. Ich meine, alt werden und sterben, oder?« Obwohl er ärgerlich reagierte, kamen wir ins Gespräch. Er war ein sehr strebsamer, fleißiger Mann, der viel erreicht hatte. Auch sozial war er engagiert gewesen. Aber Gott? Und das Ende des Lebens hier auf der Erde? Niemals hatte er wirklich darüber nachgedacht. In seinem ganzen aktiven Leben hatte er die Gedanken daran erfolgreich verdrängt. Ob er angefangen hat, über Gott und die Ewigkeit nachzudenken, habe ich nie erfahren.
Durch solche Erlebnisse fing ich an, vom Ende her zu denken, bewusst dem Tod und Gott in meiner Gedankenwelt Raum zu geben. Seltsam! Jeder weiß, dass unser Leben ein Ende hat. Jeder weiß, dass der Tod für alle, ausnahmslos alle, eintreten wird. Aber alle tun so, als sei nichts belangloser als dieses Thema. Inzwischen bin ich mir sicher: Mit Gott, dem Schöpfer des Lebens, leben wir bewusster. Hanne Häuser