Im letzten Jahr habe ich meinen Jahresurlaub bis zum Dezember aufbewahrt und bin so dem Weihnachtskommerz entflohen. In Indien gibt es keine Weihnachtsdekoration, die das Stadtbild beherrscht. Keine Weihnachtsbäume, keine Weihnachtsbeleuchtung, keine kletternden Weihnachtsmänner. Keine Weihnachtsmusik in den Geschäften, keinen Weihnachtsmarkt mit Glühwein, keine Werbeflut mit Weihnachtsangeboten. Der Stress, noch schnell Geschenke zu besorgen, fiel daher dieses Jahr auch aus. Die Weihnachtsgrüße haben sowieso auf der Urlaubskarte Platz, und die kann auch ein paar Tage später ankommen.
Wenn man in Indien christliche Veranstaltungen erleben möchte, muss man sie schon suchen. Oder man wird eingeladen. Als Ehrengäste mit weißer Hautfarbe haben wir die Weihnachtsfeier einer katholischen Privatschule besucht. Neben einigen traditionellen Tänzen haben die Schulkinder auch das einstudierte Krippenspiel aufgeführt. Die Kinder waren aufgeregt, und jedes war mit seiner Rolle beschäftigt. Maria und Josef suchten eine Herberge und wurden vom unfreundlichen Wirt abgewiesen. Schließlich blieb ihnen nur noch der Stall. Auf dem Feld ist der Engel den erschreckten Hirten erschienen und hat ihnen die Weihnachtsbotschaft verkündigt. Als dann die Hirten vor der Krippe knieten, ist den Kindern, die für das Bühnenbild zuständig waren, auf einmal aufgefallen: Wir haben das Jesuskind vergessen! Wo ist Jesus? Irgendwo muss er doch sein! Die Kinder haben dann schnell eine Puppe organisiert. Es war zwar ein Mädchen, aber immerhin, dachten die Akteure ... Thomas Pommer