Er war ein ehrlicher, anständiger und angesehener Bürger seines Landes. Eines Tages gab es Aufregung in seiner Stadt. Schnell erfuhr er, was geschehen war.
Der König hatte zur Hochzeit seines Sohnes ausgewählte Gäste eingeladen, aber diese waren nicht erschienen. Daraufhin öffnete der König seinen Palast für das gemeine Volk. Die Diener schwärmten aus und luden ohne Unterschied jeden ein, der ihnen begegnete: vom anständigen Bürger bis zu den letzten Bettlern, die an den Zäunen herumstanden. Unser Mann mit der weißen Weste wurde auch eingeladen. Voller Freude ging er mit.
Im Palast angekommen, sah er dass auch die elendesten Leute aus der Gosse vollständig neu eingekleidet wurden. »Die haben es auch nötig«, dachte er, und als auch ihm der Waschraum gezeigt und ein Festkleid angeboten wurde, lehnte er höflich dankend ab: »Ich habe doch schon eine weiße Weste.«
Mit großen Erwartungen betrat er den hell erleuchteten Festsaal – und erschrak: Alle Gäste waren in strahlendem Weiß, dagegen wirkte seine »weiße Weste« grau, schmutzig grau. Alle drehten sich nach ihm um. Ganz am Rand suchte er sich verstohlen einen Platz. In diesem Moment erschien auch der König, um seine Gäste zu begrüßen. Sofort ging er auf den Mann mit der vermeintlich weißen Weste zu und fragte: »Freund, wie bist du ohne Festkleid hier hereingekommen?« Der aber brachte kein Wort über die Lippen. Dann hörte er den Befehl des Königs: »Nehmt ihn fest und werft ihn hinaus in die Finsternis. Da wird Heulen und Zähneklappern sein.« So kann man es in Matthäus 22,1-14 nachlesen.
Günter Seibert