»Auf deiner Seiten steht nit viel, / hast schon verloren in dem Spiel! / Gott hat geworfen in die Schal / Sein Opfertod und Marterqual / Und Jedermannes Schuldigkeit / Vorausbezahlt in Ewigkeit«, so schallt es jedes Jahr über den Domplatz in Salzburg. Wer war der Dichter dieses Spiels auf den von ihm mitbegründeten, inzwischen weltbekannten Salzburger Festspielen, das das Evangelium im Stil des Volkstheaters verkündet?
Es ist der aus österreichischem Adel stammende Schriftsteller Hugo von Hofmannsthal (1874-1929), nebenbei Jurist, Romanist und Offizier. Anfangs sah sich der feinsinnige Ästhet eher der Endzeitstimmung seiner Epoche verpflichtet, was in einer formvollendeten Lyrik und Prosa zum Ausdruck kommt. Später betrachtete er die Distanz des Dichters zum wirklichen Leben als Schuld. Besonders nach dem Ersten Weltkrieg versuchte er, die Kultur und den christlichen Geist der Vergangenheit in die chaotische Nachkriegszeit hinüberzuretten. Heute vor 75 Jahren starb er.
Dass Hofmannsthal mit seinem inneren Anliegen von der Allgemeinheit nicht wahrgenommen wurde, hat er mit den Mahnern und Propheten aller Zeiten gemeinsam, letztlich auch mit dem Evangelium Jesu Christi, obwohl doch schon der Anfang im »Jedermann« mahnt: »Darin wird euch gewiesen werden, / wie unsere Tag und Werk auf Erden / Vergänglich sind und hinfällig gar / … / Das müsst ihr zu Gemüte führen / Und aus dem Inhalt die Lehr ausspüren!« Wer aber macht sich die Mühe, sich selbst in die Rolle des nicht mit seinem Tod rechnenden »Jedermann« zu versetzen und die »Lehr« für das eigene Leben »auszuspüren«? Gerhard Jordy