Eine verheiratete Frau war ins Ausland gefahren, um Verwandte zu besuchen. Als sie nach Hause kam, erfuhr sie, dass ihr Mann sie mit einer anderen Frau betrogen hatte. Im Gespräch stellte ich dieser Frau die Frage: »Wie sieht das mit der Vergebung aus?« Sie seufzte: »Ja, ja.« Meine erneute Frage lautete: »Handelt es sich um eine Vergebung oder um ein ›unter den Teppich kehren‹?« Sie bejahte das Letztere.
Oft lesen und hören wir in den Medien von der »unbewältigten Vergangenheit«! Dabei handelt es sich immer um schlechte Erfahrungen, mit denen wir nicht fertigwurden und sie darum ins Unterbewusstsein verdrängt haben. Und oft sind sie mit Personen verbunden, denen wir nicht vergeben können oder wollen. Die seelisch-körperlichen Beeinträchtigungen durch solche verdrängten Ereignisse verschwinden auch nicht, wenn sie lange her sind. »Die Zeit heilt alle Wunden« ist eine höchst fragwürdige und sehr, sehr oft widerlegte Aussage.
Erst wenn wir begriffen haben, dass Gott uns den ganzen großen Haufen unserer Sünden vergeben hat, können auch wir bereit werden, allen von Herzen zu vergeben, die uns ein Leid zugefügt haben, und dann erst ist von unserer Seite ein Schlussstrich unter die Angelegenheit gezogen worden. Um von nun an mit Gott in ungetrübter Gemeinschaft leben zu können, ist auch von uns tägliche Vergebungsbereitschaft gefordert; denn unser Tagesvers verbindet beides miteinander: »Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldnern!« Sollten wir nicht von diesem Angebot zu wahrer »Seelenhygiene« so oft wie möglich und nötig Gebrauch machen? Waltraud Baumann