Den Ronny mochte niemand in der Schule leiden. Die Lehrer fürchteten seine Störmanöver, und die Schüler hatten vor seinen Fäusten Angst. Immer wieder beklagten sich die Kleineren, Ronny habe sie gequält. So wurde ihm verboten, die Räume der unteren Klassen zu betreten. Das wussten die Schüler auch, und nun lauerten sie darauf, dass Ronny dies Gebot übertrat, um etwas gegen ihn vorbringen zu können.
Eines Tages kamen sie angestürzt: »Ronny war bei uns in der Klasse!« Als sein Klassenlehrer musste ich ihn jetzt bestrafen, doch er leugnete, dort gewesen zu sein. Ich ging durch drei dieser Klassen. In allen wurde behauptet, Ronny habe sich dort herumgetrieben. Knapp einhundert Zeugen konnten dies also bestätigen. Wieder zur Rede gestellt, blickte mir Ronny offen in die Augen und sagte: »Ich war bestimmt nicht dort.« Ich antwortete ihm darauf, dass ich ihm glaube und fragte einzelne Kinder: »Hast du ihn in deiner Klasse gesehen?« Keine konnte das bestätigen, alle hatten es – nur allzu gern – von anderen gehört und beteiligten sich jetzt an der Hetzjagd auf Ronny.
Wie viele Freundschaften und ganze Existenzen sind schon zugrunde gegangen, weil wir Dinge verbreitet haben, die »wir gehört haben«. Jegliche Resozialisierung wird dadurch sehr effektiv unterbunden, wo Leute wie Ronny es sowieso schon schwer haben, sich einzuordnen.
Ja, und wenn Gott mit dieser Haltung uns Menschen gegenübertreten wollte? Was wäre dann mit uns? Statt dessen hat er diese böse Menschheit so geliebt, dass er seinen eigenen Sohn für sie alle Schuld büßen ließ!
Hermann Grabe