Eigentlich hätte ich es ja wissen müssen; denn unseren Tagesspruch kenne ich von Kindesbeinen an. Aber das geht uns mit angelerntem Wissen leider oft so.
Unser Bauernhaus ist von Wiesen umgeben, die durch dichte Wallhecken getrennt sind. Als einmal auf einer dieser Wiesen eine Gemeindeveranstaltung stattfand, sollte ich einen Bibeltext vorlesen. So begann ich laut und deutlich zu sprechen, damit alle auf der Wiese Anwesenden mich gut verstehen konnten; aber dann das: Ein vielstimmiger Chor laut blökender Schafe ließ das Vorlesen zu einer heiser machenden Strapaze werden. Hinter der nächsten Wallhecke weidete nämlich meine Heidschnuckenherde. Die Tiere kamen nicht an die Hecke gerannt, weil sie so fromm erzogen waren, dass sie an der Andacht teilnehmen wollten, nein, sie kamen ausschließlich, weil sie meine Stimme kannten.
Leider bin ich nicht der »Gute Hirte«, sondern nur ein ganz gewöhnlicher Hobbyschafhalter, und da kann es schon mal passieren, dass die Schafe meine Stimme hören und doch nicht gemeint sind. Meine Schafe erwarteten, auf frisches Weideland, sozusagen auf »grüne Auen« geführt zu werden; aber das war damals überhaupt nicht meine Absicht. Welch ein Glück, dass ich so etwas bei meinem Hirten, dem Herrn Jesus Christus, noch nie erlebte habe, immer war ich gemeint, wenn ich seine Stimme vernahm. Das konnte in einer Predigt oder in einer Bibellese, aber auch in schmerzlichen Erfahrungen geschehen. Aber wie oft vernehmen wir seine Stimme gar nicht, wenn er uns ermahnen oder belehren will. Ja, nicht einmal seinen Trost nehmen wir immer an. Da will ich von meinen Schafen lernen! Erwin Kramer