Man findet die frühchristliche Inschrift auf Brunnen, Bassins und Bottichen: Νίψον ἀνομήματα, μὴ μόναν ὄψιν (Nipson anomemata, me monan opsin). Auch an Trinkbrunnen und Taufbecken bei der Kirche Hagia Sophia in Konstantinopel. Übersetzt ins Deutsche lauten die Worte: Die Sünden abwaschen - nicht nur das Gesicht! Das Kuriose: Dieser Satz lässt sich vorwärts und rückwärts lesen! Er ist also ein sogenanntes Palindrom.
Auch im Deutschen kennen wir solche originellen Satzgebilde: Die Liebe ist Sieger; stets rege ist sie bei Leid. Oder: Ein Esel lese nie. ... Reit nie ein Tier! Etwas einfacher ist diese Spiegelachse bei kurzen Worten zu erkennen: Retter; Rotor; Rentner; Reittier oder Marktkram. Scherzhaft sagte mal ein Engländer: Als Eva geschaffen und zu ihrem Mann gebracht wurde, stellte der sich mit den Worten vor: »Madam, I’m Adam!« Dieser Satz reimt sich nicht nur - er ist zugleich ein Palindrom.
Doch bei aller Originalität wollen wir noch mal auf die griechische Inschrift zurückkommen: Wasche deine Sünden ab, nicht nur dein Gesicht! Gottes Wort, die Bibel, ist wie ein Spiegel: Dabei zeigt sie uns nicht unsere äußere Beschaffenheit, sondern möchte unseren inneren Zustand offenlegen. Dieser Satz fordert den Leser auf, sich nicht nur äußerlich zu waschen, sondern auch sein Innenleben nicht zu vernachlässigen.
In seinem Brief mahnt Jakobus: »Seid aber Täter des Wortes und nicht allein Hörer, die sich selbst betrügen! Denn wer sich Gottes Botschaft zwar anhört, aber nicht danach handelt, gleicht jemand, der sein Gesicht im Spiegel betrachtet und der, nachdem er sich betrachtet hat, weggeht und sofort wieder vergisst, wie er ausgesehen hat« (Jakobus 1,23-24, NGÜ).
Andreas Fett