Funkelnd pendelt es im Dekolleté der jungen Dame, während sie zu fetzigen Rhythmen über die Tanzfläche wirbelt. Ob sie schon mal darüber nachgedacht hat, wozu dieser Gegenstand einmal diente? Dass das Kreuz ein Folter- und Hinrichtungsinstrument aus rohen Holzbalken war? - Ach was, sie findet es eben schick. Ihr Bruder trägt schließlich auch eins, eintätowiert am Oberarm, und ihr Freund hat eins am Ohr hängen. Manche tragen es allerdings, weil sie eine innere Beziehung dazu haben.
Flavius Josephus, ein jüdischer Historiker in Diensten des römischen Feldherrn Titus, der viele Kreuzigungen beobachtet hatte, nannte dies »die erbärmlichste Todesart«. Heute ist das Kreuz ein christliches und zum Teil sinnentleertes Symbol, ein Gegenstand nur, wenn auch ein mitunter kunstvoll gestalteter.
Ein Kunsthistoriker lag im Sterben. Der herbeigerufene Seelsorger hielt dem Todkranken ein Bild des Gekreuzigten vor. Da richtete der Sterbende einen prüfenden Blick auf das Kruzifix und murmelte aus seinen Kissen heraus: »Elfenbein - Würzburger Arbeit - Zopfstil - von mäßigem Wert.« Sprach's und verschied. Nur ein Gegenstand von mäßigem Wert! Bestenfalls ist es ein Auslöser religiöser Gefühle - das Kreuz.
Vor rund 2000 Jahren hat Gott damit unser Leben durchkreuzt, als er seinen Sohn an diesem Schandpfahl opferte. Dort hing er, angenagelt, unter unsäglichen Qualen, nachdem man ihn verhöhnt und blutig geschlagen hatte. Unter den Augen einer gaffenden Menge hatte er das schwere Holz selbst zur Hinrichtungsstätte getragen. Das alles geschah für uns - Sie und mich. Das Wort vom Kreuz - eine Torheit? Die Folgen wären schrecklich! Johann Fay