Wenn wir in unserer Schulzeit am Gymnasium morgens zu spät die Schule erreichten, kamen wir nur selten gegenüber dem Lehrer an einer Erklärung vorbei, warum das schon wieder passiert war. Die Kunst der Ausrede bestand darin, eine möglichst glaubwürdige Erklärung zu finden, ohne dabei direkt zu lügen. Meistens ließ sich der Lehrer davon kaum beeindrucken, und es gab einen Eintrag ins Klassenbuch. Das eigentlich Unangenehme war aber, dass man sich vor der ganzen Klasse bloßgestellt fühlte. Es war eben peinlich.
Für Ausreden gibt es manche Anlässe, z. B. auch so einen wie in unserem Tagesvers. Da findet jemand eine Ausrede, um nicht arbeiten gehen zu müssen. Ein Löwe ist natürlich gefährlich, dem möchte man lieber nicht begegnen. Aber man weiß auch, dass Löwen nicht zu jeder Tages- und Nachtzeit vor der Tür lauern - selbst damals vor 3000 Jahren nicht, als dieser Spruch aufgeschrieben wurde. Aber dem Faulen ist es egal, wie glaubwürdig seine Ausrede tatsächlich ist. Sie genügt ihm, sie ist ihm Grund genug, um auf Arbeit zu verzichten.
Vor schwierigen Aufgaben möchte man sich schon mal lieber drücken, da ist einem dann selbst eine nur halbwegs glaubwürdige Ausrede schon recht. Aber was wäre das, wenn sich alle gegenseitig im Stich lassen, weil sie entweder zu faul, zu gleichgültig oder auch zu kleingläubig sind, um sich einer Sache zu widmen, die getan werden muss. Jesus Christus, der Sohn Gottes, hat jedenfalls keine Ausrede gesucht, um sogar den Sühnetod an unserer Stelle zu erdulden, obwohl damit Ängste, Folter, Spott und Hohn in unverstellbarem Ausmaß verbunden waren. Wie froh bin ich darüber, denn dadurch bin ich nun versöhnt mit Gott und kann mich freudig und dankbar dafür einsetzen, dass auch andere von dieser Rettungstat erfahren.
Joachim Pletsch