Karfreitag in einem der berühmtesten Klöster Griechenlands, Mega Spileo (Große Höhle), fast 1000 m hoch im Helmos-Gebirge des Peloponnes gelegen. Im Dämmerlicht flackernder Kerzen beobachten wir, wie sich schwarzgekleidete Mönche mit langen Bärten langsam in den engen Räumen bewegen. Die Luft ist weihrauchgeschwängert. Der Priester und einige Mönche stimmen einen Wechselgesang an, um anschließend die für den Feiertag vorgesehenen Texte des Kirchenkalenders zu verlesen. Außer unserer kleinen Reisegruppe sind nur wenige Besucher zum Gottesdienst gekommen. Die Zeremonie und die aus Wachs und Mastix gefertigte Reliefkrone der »Muttergottes« erntet bei ihnen offenbar mehr Aufmerksamkeit als der Anlass des Festes. Dabei ist der Inhalt der Leidensgeschichte Jesu so greifbar nah. Wenige Räume weiter liegen nämlich wohlverwahrt in Glasvitrinen Evangelien-Handschriften auf Pergament, z. T. aus dem 9. Jahrhundert. Aber die Evangelien dienen nur als Museumsstücke.
War es das, was Jesus wollte, als er sich von römischen Soldaten zur Hinrichtung an ein Kreuz schlagen ließ? Jesus will von Schuld befreien, ein erfülltes Leben schenken, ins tägliche Leben mit hinein genommen werden. Jeder Tag kann wie Karfreitag sein, wenn wir ihm dafür danken, dass er für uns qualvoll gestorben ist, damit wir auch die Kraft seiner Auferstehung erleben. Dann kann Ostern Wirklichkeit werden. »Glückselig und heilig, wer teilhat an der ersten Auferstehung! Über diese hat der zweite Tod keine Macht, sondern sie werden Priester Gottes und des Christus sein …« (Offenbarung 20,6).
Uwe Harald Böhm