Waren Sie schon mal nahe des Äquators? Als ich im Süden von Indien zum Nachthimmel hochschaute, stellte ich mit Überraschen fest, dass hier der Halbmond nicht steht, sondern liegt. Ich überlegte mir: Wie kommt das? Warum wird der Mond hier von unten angestrahlt, während er in Europa von der Seite angeleuchtet wird? Ich versuchte die Mondlaufbahn zu rekonstruieren, aber irgendwie passte es nicht.
Als ich wieder in Europa war, ist mir bei einem Sternwartenbesuch aufgegangen: Nicht der Mond hatte sich verändert, sondern ich hatte mich verändert. In Europa stehe ich in einem ganz anderen Winkel zur Erdachse als am Äquator, auch wenn ich an beiden Orten senkrecht auf dem Boden stehe. Weil mein Standpunkt sich verändert hat, hat sich auch mein Bezugssystem geändert und deshalb sieht es für mich so aus, als ob der Halbmond in Europa mehr steht und am Äquator mehr liegt. Auf den Standpunkt kommt es an!
Die Reise nach Indien half mir auch in mancher anderen Hinsicht, meine eigene Kultur besser zu verstehen und meine Gewohnheiten richtig einzuordnen. Indien ist anders, Indien ist extremer: mehr Menschen, mehr Lärm, mehr Farben, mehr Sonne. Indien ist ein Land der Gegensätze: scharf und süß, arm und reich, High Tech und primitiv. Ich fand es spannend, wie die indischen Christen mit der gleichen Bibel in ihrer anderen Kultur leben. Oft nicht besser oder schlechter, sondern einfach nur anderes. Auf den Standpunkt kommt es an! Zum Glück weiß Gott, mit welchen spezifischen Schwierigkeiten jeder an seinem Standort zu kämpfen hat. Thomas Pommer