»Ecce homo« ist die lateinische Übersetzung des griechischen Ausspruchs, mit dem der römische Statthalter Pontius Pilatus der Bevölkerung von Jerusalem den gefolterten, in purpurnem Gewand gekleideten und mit einer Dornenkrone gekrönten Gefangenen Jesus von Nazaret übergab, weil er keinen Grund für dessen Verurteilung sah. Die Volksmenge aber forderte die Kreuzigung Jesu.
Die wörtliche Übersetzung aus dem griechischen Urtext ins Deutsche lautet: »Siehe, der Mensch«. Das bekannte Ecce-homo-Bild von Lovis Corinth (1858-1925) zeigt die Spuren der Geißelung an Jesu Körper. Das haben die Menschen mit der Liebe Gottes gemacht: Die Hände sind ihm eng übereinander gefesselt. Er trägt den roten Mantel des Spottes. Das dornengekrönte Haupt ist gezeichnet von blutenden Wunden. In der Hand hält er einen Stecken: Der König der Juden.
Das letzte Bild von Lovis Corinth ist wie ein Testament, ein Vermächtnis. Der Maler stellt Jesus zwischen zwei Vertreter der Menschheit, den als Gelehrten dargestellten Pilatus und einen Soldaten. Beide helfen dabei, den Christus Gottes zu beseitigen und umzubringen. Ein erschütterndes Bild menschlicher Ungerechtigkeit. Dreimal bezeugt Pilatus die Unschuld des unrechtmäßig Angeklagten und lässt ihn doch foltern und hinrichten. Aber noch erschütternder wird dieses letzte große Bild von Lovis Corinth für den Betrachter, wenn er erfährt, dass die Gesichtzüge des Pilatus des Malers eigene sind. Ob der Freimaurer Lovis Corinth wusste, wie recht er mit dieser Selbstdarstellung hatte? Jeder Mensch hat mit seiner persönlichen Schuld dazu beigetragen haben, den Schuldlosen ans Kreuz zu bringen. Gottfried Piepersberg