Leider hat es die im ersten Tagesvers genannten Zustände zu allen Zeiten gegeben. So kann man auch verstehen, dass manche alte Leute aus der ehemaligen DDR verbittert sind. Jahrelang mussten sie in Gefängnissen sitzen, nur weil sie etwas gesagt hatten, was dem SED-Staat nicht gefiel. Und nun bekommen sie nur sehr kleine Renten, während ihre ungerechten Richter hohe Pensionen einstecken.
Und unter den grausamen Diktaturen des 20. Jahrhunderts sind noch weit schlimmere Dinge passiert. Die Erfahrung lehrt, dass Proteste nichts oder fast nichts nützten. Viele wissen keinen anderen Weg, als zornig und bitter zu werden, und damit vergällen sie sich den Rest des Lebens auch noch. Dasselbe gilt auch für Ungerechtigkeiten im familiären Bereich.
Wie viel gelassener kann man doch sein, wenn man den zweiten Teil unseres Tagesspruchs glauben kann! Gott weiß alles und wird alles seinem gerechten Gericht unterwerfen. Dass Gott nicht sofort eingreift, hat mit seiner Geduld zu tun. Er will auch dem Schlimmsten die Möglichkeit zur Umkehr geben. »Ja, aber davon habe ich doch nichts!«, mag mancher denken. Doch! Denn es gibt keinen, der nicht auf diese göttliche Geduld angewiesen wäre. Die Menschheit ist nämlich nicht in Gute und Böse aufgeteilt, sondern nur in Böse und vielleicht nicht ganz so Böse.
Wer aber wirklich zu Gott umgekehrt ist, der weiß, dass er uns sicher durch dieses manchmal schrecklich ungerechte Erdenleben hindurchbringt. Da sollen wir lernen, wie sehr wir ihn nötig haben und wie oft wir selbst versagen. Und dann kommt die große Ewigkeit bei ihm in seinem Reich. Da wird die Gerechtigkeit zu Hause sein, wie Gott versprochen hat.
Hermann Grabe