Laute Schmerzensschreie ließen die Kollegen der eher ruhigen Entwicklungsabteilung aufschrecken. Rudis anfängliches Unwohlsein hatte sich nun offensichtlich zu äußerst heftigen Bauchschmerzen ausgewachsen. Wenig später kam der Notarzt, und man brachte ihn ins Krankenhaus.
Als ich später von einem auswärtigen Termin zurück ins Büro kam, berichteten mir die Kollegen von dem Vorfall und deuteten auf den Wandkalender, der den heutigen Tagesvers zeigte. Zu diesem Zeitpunkt ahnte niemand (außer Rudi selbst), wie sehr dieser Vers auf die Situation zutraf. Umso schockierender war es für uns Kollegen dann, als wenige Tage später die Diagnose bekannt wurde: Bauchspeicheldrüsenkrebs. Erwartete Restlebensdauer: 5-6 Wochen.
Als ich Rudi ein paar Wochen später im Krankenhaus besuchte, war er schon nicht mehr richtig ansprechbar. Das Morphium, was man ihm gegen die Schmerzen verabreichte, hatte seinen Verstand bereits völlig vernebelt. Wenige Tage später nahmen wir an seiner Beerdigung teil. Rudi war gerade mal 50 Jahre alt geworden.
Obwohl die Diagnose Krebs lautete, ist letztlich nicht die Krankheit für seinen Tod verantwortlich gewesen. Nein, Rudi wusste, dass Gott es ist, der die Lebenslänge bestimmt. Außerdem wusste er, dass er nach dem Tod bei ihm sein würde, weil er schon einige Zeit vorher sein Leben bewusst diesem Gott in die Hand gelegt hatte. Das gab ihm Kraft, diese schwersten Stunden zu überstehen und das Leid aus Gottes Hand anzunehmen, ohne bitter zu werden. Für mich ist es tröstlich zu wissen, dass Rudis schneller Abschied nicht für immer gilt, sondern nur für ein paar Jahre, bis ich selbst von Gott gerufen werde. Daniel Grunwald