Es ist in einer Justizvollzugsanstalt einer deutschen Großstadt. In unserem regelmäßigen Gruppengespräch fällt mir eine Inhaftierte auf, die schon einige Jahre »sitzt«. Nach und nach fasst sie Vertrauen und erzählt mir ihre Geschichte. Ein erschreckendes Schicksal tut sich mir auf. Mehrfach lebenslänglich hat sie für ihre Vergehen bekommen. Doch trotz ihrer Verurteilung fühlt sie sich nicht schuldig.
Dann, nach einigen Jahren, wird ihr die Möglichkeit gegeben, ein Gnadengesuch einzureichen. Die einzige Bedingung: ihr Urteil anzuerkennen, ihre Schuld zu akzeptieren. Sie sagt »Nein«, sitzt lieber ihre Strafe ab ohne Aussicht auf Entlassung. Immer wieder reden wir miteinander. Mir wird ein ganz entscheidender biblischer Grundsatz klar: Ich kann nur das Gnadenangebot Gottes in meinem Leben erleben, seine Vergebung wird nur wirksam, wenn ich das Urteil Gottes über meine Sünde und Schuld anerkenne und akzeptiere. Aber dann ist seine Vergebung vollkommen: »Wenn wir unsere Sünden bekennen, dann ist Gott treu und gerecht, dass er uns die Sünden vergibt und uns reinigt von aller Ungerechtigkeit« (1. Johannes 1,9). Das ist die einzige Bedingung Gottes an uns Menschen, die wir unsere Schuld beim besten Willen weder ungeschehen noch wieder gutmachen können: Nur wenn wir ihm unsere Schuld bekennen, kann er sie vergeben, weil sein Sohn, Jesus Christus, für Sünder gestorben ist, nicht für Leute, die sich für gerecht halten oder für alles und jedes Versagen eine mehr oder weniger plausible Entschuldigung bereithalten. Damit kann man nur sich und andere hinters Licht führen, nicht aber den allwissenden Gott. Eberhard Platte