Als römischer Hauptmann gehörte der Tod zu seinem Alltagsgeschäft. Sein Auftrag war es, den »ordnungsgemäßen« Ablauf der Kreuzigungen zu sichern. Dabei interessierte ihn nicht, wer hingerichtet werden sollte. An diesem Tag aber schien alles anders zu sein.
Gerade noch hatte die Sonne brennend am Himmel geschienen, als sich plötzlich alles verdunkelte. So etwas hatte er noch nie erlebt. Obwohl die Menschen um ihn herum unruhig wurden, musste die Hinrichtung fortgesetzt werden. Sein Augenmerk fiel auf den Gekreuzigten in der Mitte. Ab und zu redete dieser, mal leise und mal lauter. Der Hauptmann verstand nicht alles, was er sagte, aber er spürte, dass von dieser Person etwas Besonderes ausging. Dann ein lauter Schrei des Gekreuzigten: »Mein Gott, warum hast du mich verlassen?« Der Hauptmann gab den Soldaten ein Zeichen. Diese nahmen eine Eisenstange und zerschlugen damit den beiden Mitgekreuzigten die Beine, um schneller deren Tod herbeizuführen. »Es ist vollbracht!« Als der Hauptmann den Aufschrei des Mannes in der Mitte hörte, erschrak er. Was meinte er damit? Wie erstarrt blieb er stehen. Dann bebte plötzlich die Erde. Die Soldaten signalisierten ihm, dass der in der Mitte Gekreuzigte bereits gestorben war. Er gab Anweisung, und man stach ihm mit einer Lanze in die Seite, um zu sehen, ob er auch wirklich tot war.
Über Stunden hinweg hatte der Hauptmann dieses »Schauspiel« miterlebt. Dieser robuste und harte Mann, den sonst nichts erschüttern konnte, war innerlich völlig aufgewühlt. Er spürte, dass dieser Gekreuzigte den Tod nicht verdient hatte, und er musste über seine eigenen Worte staunen, als er sagte: »Wahrlich, dieser Mensch war Gottes Sohn!«
Axel Schneider