Aus dem Mittelalter stammt die Sage von Parzival, dem Gralsritter. Von seiner Mutter bewusst zum Toren erzogen, damit er nicht, wie sein Vater, den Heldentod stirbt, sucht dieser Jüngling dennoch das ritterliche Abenteuer. Er erfährt, dass er ausersehen ist, Nachfolger des Gralskönigs Amfortas zu werden. In allen Finessen des höfischen Lebens von Gachmuret unterwiesen, gelangt er zur Gralsburg, begegnet Amfortas, kann ihn aber nicht von seiner schweren Krankheit erlösen, denn die Frage nach der Ursache von dessen Leiden kommt ihm nicht über die Lippen. Er hat gelernt, die gesellschaftlichen Regeln genau einzuhalten, doch gerade dadurch lädt er Schuld auf sich. Das elementare Mitleid mit der Not seines Gegenübers ist ihm über allem feinen Benehmen abhanden gekommen. So kann es gehen, so können wir sogar mit uns selbst umgehen. Der Verfasser des Psalms hat dies genau beschrieben. Es kann geschehen, dass wir unsere eigene Seele schreien hören, dass wir innerlich völlig kaputt gehen, aber noch größere Angst haben, unsere gesellschaftlichen Normen, menschlichen Rücksichten und das Bild, das wir uns von uns selbst zurechtgemacht haben, dadurch anzutasten, dass wir das Schweigen brechen. Natürlich geht es nicht um ein Selbstgespräch, auch ist die Couch eines Psychotherapeuten nicht angesagt, sondern das rückhaltlos offene Gespräch mit Gott. Dieses Gespräch bringt Befreiung, weil es Vergebung in Jesus Christus bringt. Es führt mich nicht zur Selbstzufriedenheit, aber zum Frieden mit mir selbst, weil Gott Frieden mit mir macht. Ich lerne mich selbst anzunehmen, weil Gott mich annimmt. Karl-Otto Herhaus