Wenn wir als Kinder erkältet waren, wusste meine Stiefmutter immer ein Rezept: Schwitzen! Dann bekamen wir erst einen heißen Tee oder Milch mit Honig - falls vorhanden - und dann wurden wir fest eingepackt, bis nur noch Nase und Mund herausguckten. Bald setzte das Schwitzen ein - und dann juckte es hier und da; aber Kratzen ging nicht, weil man so fest eingepackt war.
Ich weiß nicht, wie lange diese Schwitzkuren dauerten. Uns Kindern kamen sie jedenfalls furchtbar lang vor. Aber zu Ende waren sie erst, wenn meine Stiefmutter kam und uns auspackte.
Wenn wir das Wort »Ausharren« in unserem Tagesvers im Originaltext suchen, so steht da ein Wort, das »drunterbleiben« bedeutet. So, wie wir Kinder es fast unerträglich fanden, in der Schwitzkur auszuhalten, geht es vielen Menschen, die von Gott »in den Schwitzkasten« genommen werden. Sie unternehmen alles, um unter diesen Lasten herauszukommen. Und doch ist die Sache erst dann sinnvoll verlaufen, wenn Gott sein Ziel mit uns Menschen erreicht hat, nicht wenn wir uns selbst freigestrampelt haben. Das kann bestenfalls der Anlass zur nächsten Schwitzkur werden.
Gott allein weiß, was wir nötig haben, was er an uns verändern muss, wo uns die Augen aufgetan werden müssen, oder wo wir lernen müssen, mit den Schwächen unserer Mitmenschen barmherziger umzugehen. Haben wir das wirklich gelernt, dann wird er uns gern befreien, weil er selbst gesagt hat, dass er die Menschenkinder nicht gerne plagt. Und die Bibel versichert uns, dass Leute, die auf diese Weise das »Ausharren« gelernt haben, die »friedsame Frucht der Gerechtigkeit« ernten werden. Das heißt: Gott hat an ihnen von da an mehr Wohlgefallen als vorher. Mehr brauchen wir nicht.
Hermann Grabe