Wie alles andere kann man auch die Sanftmut am besten bei Christus selbst lernen: Einmal kam der Herr Jesus abends in ein Samariterdorf. Dort wollte man ihm aber keine Unterkunft geben, weil er gesagt hatte, er wolle morgen weiter nach Jerusalem reisen. Diese Unfreundlichkeit erzürnte zwei seiner Jünger dermaßen, dass sie fragten, ob sie Feuer vom Himmel fallen lassen dürften, damit die Dorfbewohner verbrannt würden. Doch Jesus wandte sich zu ihnen um und tadelte sie, dass sie noch so wenig von seiner Sanftmut übernommen hätten. Dann machte er ihnen vor, wie friedlich alles zugehen kann, wenn man nur sanftmütig genug ist; denn im nächsten Satz heißt es: Und sie gingen in ein anderes Dorf.
Warum fällt uns eine so naheliegende Lösung oft nicht ein, wenn uns jemand unfreundlich oder böswillig begegnet?
Meistens fehlt es uns an einem sanftmütigen Geist. Wir meinen allzu oft, eine schroffe Abfuhr nicht auf uns sitzen lassen zu können. Dann kommt von uns eine passende »Retourkutsche«. Oder sollte ich lieber sagen, eine höchst unpassende? Unpassend deshalb, weil der Frieden auf der Strecke bleibt und man hinterher viel Mühe aufwenden muss, um den angerichteten Schaden wieder zu reparieren.
Was kann man tun, um sanftmütig zu reagieren? Unsere Überschrift sagt, dass man lieben muss. Einem geliebten Menschen wird man am ehesten sanftmütig begegnen. Sanftmütig sein heißt nämlich, den unteren Weg zu gehen und dem anderen den oberen zu überlassen. Das schafft man kaum aus sich selbst heraus. Wieder bleibt uns nichts, als Gott um diese Liebe zu bitten.
Hermann Grabe