Man kann sich vorstellen, wie froh der Mundschenk des Pharao war, als Joseph ihm die gute Botschaft brachte, er werde wieder in sein ehrenvolles Amt eingesetzt werden. Und Joseph schloss nur die schlichte Bitte an: »Gedenke meiner, wenn es dir wohl geht!« Wie vieles hatte er Joseph als mitleidigem Gefangenendiener zu verdanken! Da wird er doch alle Hebel in Bewegung setzen, auch Joseph aus diesem schrecklichen Loch zu befreien. - Aber als er wieder in Amt und Würden war, vergaß er seinen Wohltäter.
Vor seinem Kreuzestod hat der Herr Jesus Christus seinen Jüngern ebenfalls gesagt, sie sollten seiner gedenken. Das gilt ganz ausdrücklich vom Abendmahl, vom Tisch des Herrn, aber es gilt natürlich auch zu aller anderen Zeit. Von welch schrecklichem Ende, ja von welchem ewigen Verderben hat er seine Leute gerettet! Da müssten sie doch allezeit dankbar seiner gedenken. Ja, müssten - aber wie sieht die Praxis aus?
Jeder weiß selbst, was den ganzen Tag über seine Gedanken beschäftigt; und weil die Christen heute vieles mitmachen, was unsere Väter noch als schädlich für den Glauben eingestuft hätten, bleibt so furchtbar wenig Zeit für das eigentlich Wesentliche. Und wenn wir dann schnell noch ein wenig die Bibel zur Hand nehmen, tun wir es oft pflichtgemäß; aber darüber nachzudenken, was Christus für uns tat, dafür bleibt keine Zeit.
Wenn es nach dem Mundschenk gegangen wäre, hätte Joseph im Gefängnis sterben mögen. Unsere Vergesslichkeit hat Jesus Christus gegenüber solche Folgen nicht. Aber wir rauben ihm seine Ehre und schaden uns selbst am meisten, wenn wir ihn vergessen.
Hermann Grabe