Immer wieder hört man in Presse, Rundfunk und Fernsehen über Fehlverhalten von Prominenten, besonders Politikern, von Korruption und Machtmissbrauch. Die Skandalflut der Medien, die einen der Sünder nach dem anderen »entlarvt«, macht vor keiner Partei halt. Die Folge bei den Mitbürgern sind Wahlenthaltung, Politikverdrossenheit oder die Hinwendung zu extremen Gruppierungen.
Aber ehrlich, können Politiker eigentlich unsere Moral ruinieren? Sind sie nicht auch nur »Menschen wie du und ich«, also nicht besser oder schlechter als wir? Nur mit dem Unterschied, dass sie im Licht der Öffentlichkeit stehen. Doch von ihnen zu erwarten, dass sie deshalb stellvertretend für uns alle »moralisch« sein müssen, ist töricht und überheblich. Schwächen und fehlerhaftem Verhalten der Prominenz begegnen wir mit kollektiver Entrüstung und legen die moralische Messlatte auf eine Höhe, die wir oftmals selbst nicht überspringen können oder auch nicht wollen. Würden wir allen Versuchungen widerstehen, wären Verkehrssünden keine »Kavaliersdelikte« und der Volkssport, das Finanzamt auszutricksen, am Ende. »Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe als erster den Stein!«, sagt Jesus zu den Leuten, die eine Ehebrecherin verurteilten und zu jedem Einzelnen: »Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet! Denn mit welchem Gericht ihr richtet, werdet ihr gerichtet werden, und mit welchem Maß ihr messt, wird euch zugemessen werden« (Matthäus 7,1-2). Das Bewusstsein, selbst Gottes Vergebung täglich nötig zu haben, hilft uns nicht nur, die Fehler unserer Angehörigen und Bekannten besser zu ertragen, sondern sogar die Sünden von Ministern und Bundeskanzlern. Karl-Heinz Gries