Außer durch die USA ist das 20. Jahrhundert vor allem von der Sowjetunion bestimmt worden. Dieser Staat war aus den Trümmern des Zarenreiches erwachsen. Die russischen Revolutionäre wagten ein riesiges Experiment, nämlich einen Staat auf der Grundlage der philosophischen Theorien von Karl Marx und Lenin zu errichten. Das Menschenbild der atheistischen Philosophie dieser Epoche leitete ihr Handeln. Für sie war Materie der letzte Grund alles Seins; das Materielle prägte das Bewusstsein. Sie meinten, wenn sie die Verhältnisse zum Guten veränderten, könne der Mensch nur besser werden; das irdische Glück sei also machbar. Um dies zu erreichen, glaubten sie Opfer fordern zu dürfen, weil der Zweck die Mittel heiligt. So mordeten sie Millionen von Menschen, um ihr sozialistisches Paradies zu errichten. Ströme von Blut flossen, riesige Gebiete versanken in unvorstellbares Elend. Doch entgegen allen Versprechungen der politischen Führer, gegen alle Hoffnungen westlicher Intellektueller ging es wirtschaftlich und sozial nicht aufwärts, sondern abwärts. Nicht das Reich der Freiheit leuchtete am Horizont auf, sondern ein menschenverachtender Zwangsstaat entstand.
Im Jahre 1989 erklärte Gott das Experiment für beendet. Der ehemals so gefürchtete Machtblock zerfiel endgültig am 21.12.1991, als sich 11 der 15 ehemaligen Sowjetrepubliken zur Gemeinschaft unabhängiger Staaten (GUS) zusammenschlossen. Es ist, als wollte Gott uns allen zeigen, wohin es führt, wenn wir nicht nur ohne, sondern sogar gegen ihn etwas aufbauen wollen: Umweltverschmutzung unvorstellbaren Ausmaßes, Hunger, organisiertes Verbrechen und chaotische Wirtschaftsbedingungen. Karl-Otto Herhaus