Heute vor 100 Jahren starb Königin Viktoria von Großbritannien nach einer Regierungszeit von fast 64 Jahren (1837-1901). In ihrer Epoche erfuhr das Britische Weltreich seine größte Ausdehnung; die Ära war von Wohlstand der Oberschicht, einer rasanten technischen Entwicklung und auch von Frieden gekennzeichnet. Die größte Flotte der Welt, die britische, beherrschte die Weltmeere, und als Viktoria 1876 zur Kaiserin von Indien gekrönt wurde, war ein gewisser Höhepunkt erreicht. Ihr Name prägte die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts, man sprach vom »Viktorianischen Zeitalter«.
Auch eine sog. »Neue Moral« sollte dem Viktorianismus seinen Stempel aufdrücken. Nach der rüden Machtpolitik und der unsittlichen Frivolität vergangener Zeiten sollten jetzt Humanität und edle ethische Grundsätze im Großen wie im Kleinen bestimmend sein. Aber der Mensch blieb derselbe, der er immer gewesen war. Hinter einer schönen Fassade blieb alles beim Alten: Hinter glatter Diplomatie verbarg sich rücksichtsloser Imperialismus, und den schlimmsten Ausschweifungen versuchte man hinter prüden Moralgesetzen umso mehr nachzugehen. Der Viktorianismus wurde geradezu zum Symbol politischer wie bürgerlicher Heuchelei. Viktorias Sohn und Thronfolger Albert Eduard hieß im Volksmund wegen seiner sexuellen Ausschweifungen »Dirty Bertie« (= Schmutziger Albert).
Noch schärfer als Menschen aber durchschaut Gott unser aller Masken. Vor ihm wird sich einmal jeder verantworten müssen, dessen Schuld nicht durch Jesus Christus gesühnt ist. Nur der Glaube an ihn kann uns vor Gericht und Verurteilung retten. Gerhard Jordy