Das Haus stand in hellen Flammen, als die Mutter merkte, dass ihr kleines Kind noch in seinem Bettchen lag. »Zu spät!«, sagte der Feuerwehrmann bedauernd, »aber da kann niemand mehr hinein.« Die Mutter achtete die Gefahr nicht, rannte ins brennende Haus, und tatsächlich brachte sie ihr Kind in Sicherheit; doch wie sah sie aus? Wochenlang lag sie auf Tod und Leben im Krankenhaus, und als man sie endlich entließ, war ihr einst schönes Gesicht von Narben völlig entstellt.
Aus dem Kind wurde ein hübsches Mädchen, dem die Enge ihres Hauses nicht mehr genügte. Die Mutter beobachtete das mit größter Sorge; aber halten konnte sie ihre Tochter nicht. Eines Nachts, es war bereits 2 Uhr, war sie immer noch nicht nach Hause gekommen. Da ging die Mutter los, sie zu suchen. In einer von riesigem Lärm erfüllten Disko fand sie ihr Kind auf dem Schoß eines jungen Mannes. Der sah das entstellte Gesicht der Mutter und fragte: »Wer ist denn das? Kennst du die alte Hexe?« Und die Tochter schüttelte den Kopf.
Weinend ging die Mutter hinaus, setzte sich irgendwo in eine Ecke und ließ den Tränen freien Lauf. Ihr eigenes Leben hatte sie für die Tochter aufs Spiel gesetzt und all die Jahre unter der Entstellung schwer gelitten, und nun verleugnete sie die Person, derentwegen sie all das auf sich genommen hatte.
Jesus Christus hat die tiefste Erniedrigung und den schrecklichsten Tod erlitten, um uns zu retten. Und doch ist es gerade diese Verachtung, die ihm zuteil wurde, die wir nicht mit ihm teilen mögen und ihn darum verleugnen, oft nicht direkt mit Worten, aber mit unserem Verhalten. Adolf Wüster