Wieder ist der Briefkasten gut gefüllt mit Werbung, ein Prospekt bunter als der andere. »Kleine Sünde« sehe ich auf einem besonders grellen Blatt prangen. Darunter seht: »Eine neue Teesorte, verführerisch prickelnd«. So weit sind wir also gekommen. Der Teegenuss soll angekurbelt werden, indem er als »kleine Sünde« verkauft wird. Sünde als Mittel zur Umsatzsteigerung. Der Begriff Sünde, der ursprünglich mit einem Abscheu erregenden Zustand verbunden war, ist inzwischen so verniedlicht worden, dass er als »in« angepriesen werden kann. »Wir sind ja alle kleine Sünderlein, das ist doch so süß!« Nein, große Sünder wollen wir ja gar nicht sein. Wir sprengen keine vollbesetzten Flugzeuge und U-Bahnen in die Luft. Wir bringen unseren Chef nicht um, obwohl der uns doch so ausbeutet. Bei (fast) jeder roten Ampel halten wir an. Sorgfältig trennen wir unseren Müll. Kleine Sünden - na ja, aus unserem Betrieb, da nehmen wir schon mal was mit, es ist ja noch so viel davon da. Auch mit der Wahrheit nehmen wir es nicht immer so genau - geht doch nicht anders. Ach so, Sünden gegen Gott? Was soll das denn sein? Dem tun wir doch nichts!
Und das ist es gerade, was uns in die Hölle bringt. Wir kümmern uns nicht um Gott, der uns geschaffen hat. Uns interessiert Jesus Christus nicht, der Sohn Gottes, der wegen unserer Sünden gestorben ist. Wir sind blind geworden gegenüber unserer Schuld, über die der Schriftgelehrte Esra vor Jahrtausenden verzweifelt zu Gott schrie, dass sie bis zum Himmel aufgehäuft sei. Esra wusste, wie heilig Gott ist und welch katastrophalen Folgen die Sünde hat. Wenn das doch auch uns neu bewusst würde! Otto Willenbrecht