Vor mehr als zwanzig Jahren hatten sie geheiratet. Jetzt aber hielten sie es nicht mehr miteinander aus. Die Streitigkeiten häuften sich, von Liebe war keine Spur mehr. Das Zusammenleben wurde unerträglich, es gab für beide nur noch einen Ausweg: die Scheidung. Doch was zunächst als einfachste Lösung erschien, erwies sich als ein Fluch. Sie stritten sich wegen des Geldes, des Hauses, der Möbel, der Bilder. Der gegenseitige Hass steigerte sich immer mehr, führte zu Lügen und Verleumdungen; krampfhaft suchte jeder nach Gelegenheiten, den anderen noch tiefer zu verletzen. Und als die Scheidung nach mehr als zwei Jahren abgeschlossen war, trat keineswegs Ruhe ein. Immer noch beherrschte sie der Gedanke, sich an dem anderen zu rächen und ihm zu schaden. Die Gesundheit beider war geschädigt, finanziell waren sie fast ruiniert und ihre zwei Söhne wegen unterschiedlicher Parteinahme auf Dauer verfeindet. Auch hatten sich die früheren Bekannten zurückgezogen.
Nicht jede Scheidung verläuft so dramatisch, aber jede Scheidung ist mit Schuld verbunden, Schuld gegenüber dem Partner, den Kindern und gegenüber Gott. Denn Gott hat die Ehe als eine lebenslange Verbindung von Mann und Frau geschaffen. Sie darf deshalb nicht leichtfertig, sondern nur nach ernstlicher Prüfung eingegangen werden, und die gegenseitige Liebe muss täglich genährt und bewahrt werden. Wo das geschieht, bringt die Ehe eine Erfüllung, wie sie in keinem anderen Lebensbereich zu finden ist. Und wo Mann und Frau sich nach Gottes Gedanken füreinander einsetzen, erkaltet die Liebe nicht, sondern wird tiefer und inniger, je länger die Ehe besteht. Otto Willenbrecht