Lass fröhlich sein und sich in dir freuen, die deine Rettung lieben, lass stets sagen: »Erhoben sei der Herr!«
Psalm 40,17
»Die Blätter fallen, fallen wie von weit.« Diese Worte stehen am Anfang des großartigen Gedichts »Herbst«, mit dem Rainer Maria Rilke seine Leser tröstet: Alles Sterbende werde schließlich in den »unendlich sanften« Händen Gottes zur Ruhe kommen. Dieses Gedicht ist sprachlich ebenso großartig gemacht, wie es theologisch irreführend ist.
Wer in der Bibel Bescheid weiß, kennt die Ursache allen Sterbens, allen Vergehens und allen Untergangs. Es ist die Sünde, zu der sich Adam und Eva verführen ließen. Gott hatte sie als Krönung seines Schöpfungswerks zu Herren über alles andere eingesetzt, und mit ihrem Versagen haben sie alles ihnen Unterstellte in ihren Untergang mit hineingerissen. An jenem Punkt wurde die Beziehung zu diesem wunderbaren Gott jäh unterbrochen. Rilke hat Recht, wenn er schreibt: »Wir alle fallen.« Doch seither fallen Menschen nach ihrem Tod nicht automatisch in Gottes unendlich sanfte Hände – hier ist Rilke auf dem Holzweg. Denn dazu braucht es erst eine Versöhnung; die Beziehung muss wiederhergestellt werden! Wer unversöhnt stirbt, fällt in die Hände eines zürnenden Gottes: »Es wird schrecklich sein, dem lebendigen Gott in die Hände zu fallen« (Hebräer 10,31).
Jesus Christus ist am Kreuz gestorben, um uns mit diesem Gott zu versöhnen und die Beziehung zu ihm wiederherzustellen. Wenn wir sein Versöhnungsangebot annehmen, wird Gott vom selben Augenblick an zu unserem liebenden Vater. Wie im Tagesvers anklingt, herrscht dann echte Freude! Und erst dann werden wir auch erfahren, dass die Hände Gottes tatsächlich »unendlich sanft« mit uns verfahren, und dass er von jeher nur unser Bestes im Sinn hatte – nämlich die ewige Seligkeit bei ihm im Himmel.
Hermann Grabe